Wieso also auf Ware von außerhalb zugreifen? Eine Frage, die sich Juniorchef Jens Lund des gleichnamigen gastronomischen Familienbetriebes »Lund Sylt« in Hörnum schon vor einiger Zeit gestellt hat. Seither kauft er mittwochs auf dem Volquardsen-Hof ein. Mittlerweile gehören die Lunds gastronomisch gesehen zu den größten Sylter Grünkohlabnehmern inselweit. Und zwar ganzjährig, denn das Image des einstigen Wintergemüses ist längst überholt. Ursprünglich hieß es, dass der Grünkohl frühestens nach dem ersten Frost geerntet werden könnte. Erst dann würden die Grünkohlzellen aufplatzen und ein Teil der darin enthaltenen Stärke in Zucker umgewandelt, folglich verschwinden die Bitterstoffe und der Grünkohl wird bekömmlicher. Es gibt einige Sorten, bei denen es durchaus noch so gehandhabt wird, doch wer den Sylter Grünkohl schon mal im Sommer gekostet hat, wird feststellen, dass sich die Zeiten geändert haben. »Der schmeckt keineswegs bitter, macht sich sogar prima als Ceasar Salad, Pfannengemüse oder auch Eis«, weiß Küchenchef Jens Lund.
Aber so richtig warm werden die Deutschen mit ihrem Traditionsgemüse abseits von Pinkel und Co. bislang nicht. Anders als die Amerikaner. Sie beförderten den Grünkohl zum Superfood, hofierten ihn von L.A. bis NYC mit Pauken und Trompeten. Das Trendgemüse Grünkohl. Wer hätte es gedacht? Für die Volquardsens ist dieser ganze Hype natürlich nichts Neues, sie wissen seit jeher was in ihm steckt, welche Vitamine und gesundheitsfördernden Stoffe. Mit seinem Vitamin C-Gehalt liegt er an vierter Stelle, gleich nach Paprika, Rosenkohl und Brokkoli. Wer sich die komplette Grünkohlbombe geben möchte, der kredenzt sich einfach einen »Greenie«, wie ihn die Volquardsens gerne nennen. Auf dem Wochenmarkt in Westerland ist das schon längst der absolute Renner, seine eingeschworene Stammkundschaft kann und will am liebsten nicht ohne ihn.
Zweifelsohne hat der Grünkohl viele treue Anhänger, manche von ihnen sind vielleicht etwas zu anhänglich. So zum Beispiel die niedlichen Kaninchen, die gerne an den sattgrünen Trieben knabbern. »Deswegen müssen wir direkt nachdem wir den Grünkohl im Mai auf dem Feld einpflanzen mit einem Fleece überdecken. Sonst wäre im Nu alles weggefressen. Manche sind so plietsch, die graben sich unter dem Fleece hindurch«, erklärt Eckehard etwas wehmütig, denn die ach so süßen Häschen können zu einer richtigen Plage werden und die Ernte gefährden. Wenn dieser Fall eintritt, dann muss schnell nachgepflanzt werden. Vierzehn Tage bleibt das Fleece drauf, danach brauchen die Pflanzen ihren Platz. Sie wachsen glücklicherweise relativ schnell, wenn denn die meteorologischen Bedingungen stimmen. Ausreichend Regen ist wichtig, zu warm und zu trocken darf es nicht sein, das gefällt ihm nicht auch wenn er sehr robust ist, der Sylter Grünkohl. Das zweite Jahr in Folge gibt es nun eine ganz besondere Sorte. Da haben sich die Kinder wieder etwas Nettes einfallen lassen. Am Ende der letzten Ernte haben Jens und Rieke die acht schönsten Pflanzen stehen und aufblühen lassen. Ganz zur Freude der Bienen und Hummeln, die sich über die gelben rapsähnlichen Blüten hergemacht und sie befruchtet haben. Übrig blieben nach dem Abblühen unzählige Samen, die nun für die kommende Saison genutzt werden. Mehr Sylter Grünkohl geht wirklich nicht. Wie die Familie das eigene Saatgut nennt? »Der paradiesische Braderuper«, wie auch sonst?
Text: Julia Petersen