Mehr Arten in den Garten

Zu Besuch bei Edda Raspé in Morsum

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Größere Lebensmitteleinkäufe sind bei Familie Raspé nur in der Winterzeit nötig. „Bis weit in den Herbst hinein versorgt uns der Garten mit frischen Köstlichkeiten. Wir kochen und backen mit allem, was gerade reif ist“, erzählt Goldschmiedin Edda Raspé, die mit ihrem Sohn Jonas, Schwiegertochter Anna und den Enkeltöchtern Ella und Ida in und um das artgerecht renovierte Morsumer Friesenhaus in einer Idylle lebt, die ihresgleichen sucht. Hahn Sören schreitet durch die überbordend üppige Garten-Szenerie. Ihm folgt gackernd das Teenager-Federvieh-Quartett, das die Raspés aus dem Brutprojekt der Norddörfer Grundschule übernommen haben. Ein gerade aus dem Ofen gezogener Kuchen mit frischem Obst setzt einen duftenden Akzent inmitten von Blüten und Grün.

Inselleben auf dem Land: Edda Raspé vor ihrem Friesenhaus in Morsum
© Holm Löffler
Edda Raspé ist Meisterin der wilden Gartenkunst - und der Herzen sowieso
© Holm Löffler
  • Für mehr Ursprünglichkeit und Artenvielfalt. Edda Raspé setzt auf die Kräfte der Natur - sowohl im eigenen Garten als auch auf gemeindlichen Grünflächen.

„Natürlich ist das bei uns wie im Bilderbuch. Aber im Garten wie im Mehr-Generationen-Wohnen steckt eine Menge Arbeit. Beides muss man wollen, sehr bewusst. Aber es erfüllt das Leben auch mit Freude und Sinn. Wir alle können es uns anders gar nicht vorstellen“, sinniert die Hausherrin und engagierte Sylter Bürgerin, die mit ihrem Leben eine Inspiration für Individualisten ist.

„Meine Großeltern mütterlicherseits hatten in der Nähe von Stade einen Hof. Ich bin dort tief eingetaucht in den Kosmos - wie man das als Kind halt tut. Daher weiß ich um das richtige Timing fürs Pflanzen, Pflegen und Ernten. Ich habe gesehen und gelernt, wie man Obst und Gemüse zubereitet und bevorratet. Das war anscheinend prägend. Mein Sohn Jonas liebt das auch. Er verbringt fast täglich etliche Stunden mit Gartenarbeit. Auch meine Enkeltöchter werden im Rhythmus des Gartens groß, wissen sofort, wo sie hin müssen, wenn ich sie beispielsweise bitte, Salbei zu pflücken“, erzählt Edda Raspé und „zuppelt“ nebenbei welke Blüten von einem Busch. „Hier kann jetzt Neues sprießen. Ich sammle oft auch die Samen von Pflanzen und sähe sie später wieder aus“, erläutert die Meisterin der wilden Gartenkunst.

Das Zusammenspiel von uraltem und völlig neuem Wissen

Natürlich ist die Vielfalt an ursprünglichen Obst- und Gemüsesorten, an Kräutern und Gewürzen in diesem Morsumer Kleinod das Resultat von uraltem und völlig neuem Wissen um Fruchtfolgen, die Vernetzung allen Lebens im Garten, von Beobachtungsgabe und von der Lust, auszuprobieren, zu versuchen, Standorte, Pflanzenarten, Symbiosen zu testen. Über die Jahre hat sich dieser Garten mit den zwei Ebenen, dem Feuchtbiotop, der Spiel- und Blühwiese und dem zauberhaften Bauwagen eine schöne Humusschicht zugelegt, die den Anbauerfolg potenziert. Der natürliche Kreislauf wird hier seit Jahrzehnten von wissender Hand ermöglicht. 
 

Der Garten in seiner vollen Pracht. Hier ist immer was zu tun - und zu bestaunen
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Edda Raspé über Ringelblumen

Erfahren Sie im Video, was man alles aus und mit den Blütenblättern machen kann

"Die Blütenblätter der Ringelblume sind heilsam. Ich habe sie schon den Kindern früher ins Badewasser gegeben. "

Selbst vermeintliche Exoten wie Koriander, Ingwer oder Thai-Curry gedeihen unter der Fürsorge der Raspés auf dem von Bäumen umsäumten Grundstück. Die Familie ist im regelmäßigen Austausch mit anderen Inselmenschen, die ökologisch wertvollen Anbau und Permagärtnern praktizieren. So trifft sich Jonas zum Fachsimpeln manchmal mit Jens Volquardsen vom Braderuper „Erdbeerparadies“, dessen Gemüse man im Hofladen und auf dem Westerländer Wochenmarkt kaufen kann.

Ein Hauch von Paradies für Mensch, Tier und Pflanze
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„Klar, wenn ich auf Sylt ein Urlaubshaus besitze, sind die Bedürfnisse ganz anders als hier bei uns. Das Attribut ,pflegeleicht’ steht zumeist im Mittelpunkt. Aber die Artenvielfalt zu erhöhen, Grünflächen wieder attraktiv für Mensch und Insekt zu machen, sich mehr mit dem zu verbinden, was für uns und der Insel gut ist, dazu kann jeder auf seine Art beitragen“, versichert Edda Raspé.

Blumenwiesen statt Rasen

Denn naturnahe Zier- und Nutzgärten anzulegen, das funktioniert selbst im windumrauschten Hörnum - wie einige Parzellen des dortigen Kleingartens mitten in den Dünen beweisen. Man muss nur wollen und wissen, was, wie und wann gepflanzt wird. „Es ist schon beeindruckend, wenn man einfach mal ein Stück Wiese stehen lässt und schaut, was passiert.“ Private Gärten und gemeindliche Grünflächen stellen einen großen Schatz im Kampf gegen den Artenschwund dar. Blumenwiesen statt Rasen, Wildstauden statt Exoten mit gefüllten Blüten, einheimische Sträucher statt Forsythien und Thujen … es ist kein Hexenwerk, aus dem eigenen Garten ein Paradies für Mensch, Pflanze und Tier zu erschaffen.

Mit Blühstreifen zu mehr Ursprünglichkeit und Diversität
© Holm Löffler

Auf fast jedem Sylter Grünstreifen, der darf, wie er will, gedeihen auf engstem Raum Heilkräuter, die völlig zu unrecht als „Unkraut“ verunglimpft werden: Spitzwegerich, Johanniskraut, Schafgarbe, Löwenzahn, Brennnesseln … Diese Pflanzen besitzen allesamt magische Nebenwirkungen: Allein die Samen der Brennnesseln sind ein Superfood. „Man muss darum nur wissen. Das verändert die Haltung“, versichert Edda Raspé. Sie wünscht sich für die Zukunft der Sylter Grünflächen, dass das Bewusstsein für die Zusammenhänge wächst und die Faszination für die Kräfte der Natur.

Dazu trägt Edda Raspé mit diversen Projekten bei. Richtig zielführend auf dem Weg zu mehr Ursprünglichkeit und Diversität in Sylter Gärten wäre es, wenn auch die Hausmeister- und Gartenpflegebetriebe umdenken und ihren Kund*innen aktiv vorschlagen, heimische Gewächse, Blühwiesen und Obstbäume in die Gärten zu pflanzen, statt immer noch viel zu oft Rollrasen zu verlegen und die Kartoffelrose auf den Wall zu setzen. Wenn immer mehr Menschen selbst erfahren, wie gut es tut, wenn man zum Beispiel aus Johannisbeeren und Minze aus dem eigenen Garten einen köstlichen Brotaufstrich mischt, dann will man nicht zurück zum langweiligen Ziergarten.

Alles, nur nicht langweilig. Im Garten von Edda Raspé gedeihen Obstbäume und Heilkräuter in prächtig bunter Koexistenz
© Holm Löffler
Pflanzen, Pflegen und Ernten im Rhythmus des Gartens
© Holm Löffler

Die Braderuper Naturschutzgemeinschaft Sylt animiert Besitzer*innen von größeren Grundstücken schon seit Jahren und mit Erfolg, Heidebereiche in ihre Gärten anzulegen und der norddeutschen Kulturpflanze so mehr Raum zu geben. Wie man einen Natur- und Kräutergarten anlegt, lässt sich im Garten des Naturzentrums bei entsprechenden Führungen erfahren. Auch Edda Raspé steht mit ihrem prallen Wissen über das natürliche Gärtnern gerne beratend zur Seite.

  • Text: Imke Wein

  • Fotos & Videos: Holm Löffler

Mehr Wissen

über Sylter Biotope

Angelika Warnken und Edda Raspé gehen mit interessierten Menschen seit 2018 etwa einmal im Monat auf Natur-Exkursion und erforschen die unterschiedlichsten Sylter Biotope. Ob das Wäldchen mit den Krüppelkiefern in den Klappholttaler Dünen oder die Süßwassersiele am Rantum Becken - der Fokus liegt darauf, den Horizont zu weiten und die Vielfalt der Natur-Lebensräume auf der Insel zu entdecken. Oft ist ein Experte für das Gebiet mit von der Partie - wie zum Beispiel bei der Kräuterwanderung mit Angela Neumann, die die Faszination für all die Pflanzen am Wegesrand weckt mitsamt ihren kulinarischen und medizinischen Wirkungen. Die Aktivgruppe verbindet die Wanderung oft auch mit kleinen „Missionen“: Vögel zählen, Müll sammeln oder das gefährliche Jakobskreuzkraut aus der Heide entfernen - all das geschieht nebenbei. Gehaltvolle Gespräche und Diskussionen sind ebenfalls inklusive. Nähere Infos und Termine über die Braderuper Naturschutzgemeinschaft Sylt (NSG) per Mail: info@naturschutz-gemeinschaft.de

© Holm Löffler

So geht's:

Blühwiesen anlegen

Eine Herzensangelegenheit von Edda Raspé ist die Aktion Blühwiese“: An immer mehr Insel-Standorten, Lebensräume für Insekten aller Art zu schaffen, ist das Ziel. „Die richtige Saat und einige Jahre der Hege und Pflege sind für diese Flächen das A und O“, weiß Anwalt Andreas Wendt, der einen nicht unerheblichen Teil seines großen Gartens in eine Blühwiese verwandelt hat. „Richtig spannend: Jedes Jahr blüht es hier in anderen Farben. Eigentlich muss ich inzwischen nur noch einmal im Jahr zum richtigen Zeitpunkt mähen“, weiß der passionierte Hobbygärtner. Was es bei einer wilden Blühwiese in den ersten Jahren alles zu tun gibt, zeigt sich gerade deutlich im Morsumer Dorfpark hinterm Muasem Hüs: Damit der Rasen nicht länger dominiert, muss man sein Wachstum im Zaume halten und ihn entfernen. „Wäre super, wenn noch ein paar Morsumer immer mal ein paar Stunden mithelfen könnten, damit sich diese Blühwiese gut entwickeln kann“, bittet Edda Raspe um Mithilfe im Dorf. Ein weiteres Beispiel im Inselosten? Eine Hausbesitzerin bat um Rat bei der Verwandlung eines Teils ihres Grundstücks in ein artenreiches Blühparadies. Hobbylandwirt Jan Petersen half beim Umpflügen der Fläche, dann wurde ausgesäht - und jetzt wird’s spannend auf dem herrlichen Grundstück. Im Kampener Avenarius-Park hat das Grüne-Daumen-Team der Gemeinde mit einer riesigen Blühwiese schon vor Jahren ganze Arbeit geleistet. Langsam aber sicher setzt sich das Modell Blühwiese gegen Team Zierrasen durch ….

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