Natürlich Sylt
Streuobstwiese fürs Brot
Für ihre Marmeladen pflücken Maren Andersen und Sabine Clahsen alles, was nicht bei drei zu hoch auf dem Baum ist.
Streuobstwiese fürs Brot
Für ihre Marmeladen pflücken Maren Andersen und Sabine Clahsen alles, was nicht bei drei zu hoch auf dem Baum ist.
Hinterm Deich am Wattenmeer steht ein kleines Wäldchen. Schmetterlinge tanzen im Sonnenlicht, im Hintergrund singen Amsel und Feldlerche. Maren Andersen greift beherzt in die Brombeersträucher und schaut nach, wie weit ihre Beeren sind. Die Sylterin kocht Marmeladen und Konfitüren, Aufstriche und Gelees aus den Früchten, die sie auf Sylt sammelt.
»Ich pflücke Brombeeren und Holunder an den Wiesenrändern im Sylter Osten und Hagebutten an der Wattseite von Keitum bis Kampen. Birnen, Äpfel und Himbeeren in meinem eigenen Garten, auf unserer Streuobstwiese und bei Freunden. Dort also, wo es Naturschutzbestimmungen und Eigentumsverhältnisse zulassen.« Fast täglich streift sie durch ihr Wäldchen im Keitumer Süden, nascht ein bisschen hier, probiert ein bisschen dort. »Gewissermaßen eine Streuobstwiese fürs Brot«, lächelt sie und zeigt auf die engstehenden und vollen Bäume und Sträucher. Am Rand wird es licht, einzelne Sträucher stehen auf wilder Wiese. »Die Saison beginnt im Frühjahr mit der Holunderblüte, für die Gelees. Die Sammelzeit endet im Herbst mit den Quitten.« Maren schultert ihre Tasche und geht voran. Quitten also, die aussehen wie gelbe Birnen. Sie sind mit ihrem sehr festen, fast holzartigen Fruchtfleisch und bitteren Geschmack frisch vom Baum ungenießbar. Mit ihrer herben und fruchtigen Süße schmecken sie, gekocht und zubereitet, allerdings ganz köstlich. »Muss man probieren! Die Frucht ist klasse. Ich bin immer wieder begeistert.«
Maren öffnet ein Gatter, prüft im Vorbeigehen den Status der Hagebutten vom Strauch am Wegesrand und marschiert über einen kleinen Privatweg auf ein anderes Wäldchen zu. Der Wind drückt Wolken vom Wattenmeer über die Marsch, es ist kühl, windig und nieselig. Das Wetter so herb wie die Frucht. Dann steht sie am Rand des Gehölzes, die schweren Äste wippen sacht im Wind. Die gelben Früchte hängen gerade noch in Pflückhöhe. »Zwei Jahre habe ich mit den Quitten herumprobiert, mir Rezepte ausgedacht und wieder verworfen«, erzählt sie. So wird aus dem Guten das Besondere, auch wegen der Rezepte.
Die Leidenschaft für Küche und Kochen hat sie früh entwickelt, denn ihre Oma hatte ein Restaurant in List – die Strandauster. Dort hat sie sich schon als Kind was abgeschaut und mitgemacht. Die Quitten kommen entweder in den Dampfentsafter, um ein Gelee zu kochen, oder durch die Flotte Lotte für ein Quittenmus. »In das Mus gebe ich zum Beispiel karamellisierten Zimt, Bourbon-Vanille und Hanf.« So viel verrät sie immerhin und auch: Mirabelle wird mit Cointreau-Likör und Orangenabrieb abgeschmeckt. Authentisches mit dem Schuss Besonderem.
Das ist auch der Grundsatz von Sabine Clahsen. Die Morsumerin steht am östlichen Inselende vor leuchtenden Büschen: rot die Hagebutten, blauschwarz die Schlehen, tiefschwarz die Brombeeren und der Holunder, der im hohen Norden auch Fliederbeere heißt. Auch sie kocht in ihrer Marmeladen-Manufaktur Konfitüren und Co. aus Sylter Beeren, Früchten und Obst. »Über die Saison verteilt sind das bis zu dreißig Sorten Brotaufstrich – je nachdem, was gerade reif ist oder wo sich das Sammeln lohnt.«
Sie findet die Zutaten, wie zum Beispiel Äpfel oder Quitten, im heimischen Garten oder geht sammeln, vor allem im Sylter Osten. Füllt die Körbchen beispielsweise mit Holunderblüten, Hagebutten, Brombeeren oder Rosenblüten. Bevor es an diesem Tag in ihre Marmeladen-Küche geht, füllt sie noch schnell ihren Verkaufsstand auf. Ein kleines Schränkchen an der Straße. »Das funktioniert seit 36 Jahren. Ich bin damals beruflich in Dänemark gewesen und kam auf die Insel zurück – in Dänemark ist es üblich, auf diese Weise Obst und Gemüse saisonal zu verkaufen.« In der Küche riecht es fruchtig und aromatisch, nach Mandeln und Äpfeln, nach Rum und Rosinen. »Heute koche ich Bratapfel-Konfitüre«, erklärt sie. Im Garten steht ein großer Apfelbaum und der trägt reichlich Früchte. Ausreichend Äpfel zum Experimentieren: »Ich liebe Estragon. Also habe ich mir überlegt, was ich damit machen kann. Meine Ideen«, sagt sie, rührt um und denkt kurz nach, »die ergeben sich manchmal einfach so.«
Kochen bedeutet auch für Sabine Experimentieren. »Vieles ist einfach learning by doing.« Manche Kombinationen mag sie selbst – Äpfel, Estragon, Calvados zum Beispiel. »Ich probiere das dann einfach mal aus und Testerin meines Vertrauens ist meine Freundin Maren. Wir ergänzen uns perfekt und streifen auch mal gemeinsam durch die Natur. Ideen werden ausgetauscht und neue Kreationen kritisch getestet.« Kommt das an, kommt es in den Verkaufsstand. »Unsere Großmütter haben in schweren Zeiten aus allem, was die Natur hergibt, ihre Familien versorgt und dieses Wissen um die vielfältigen Möglichkeiten habe ich mir zu Nutze gemacht.« Und das ist heutzutage wieder etwas Besonderes.
Text: Oliver Abraham
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