Woher kommt die Liebe der Urlauber zum Auto?
Stephan Rammler: Zuerst einmal ist das Auto einfach wahnsinnig bequem, es ist flexibel, individuell nutzbar und in der Kleinfamilie perfekt. Außerdem ist der Anspruch der Urlauber an eine reibungslose Reise hoch. Und diese Bequemlichkeit ist bei den Alternativen zum Auto einfach noch nicht gegeben.
Moritz Luft: Ich sehe da auch die „Macht der Gewohnheit“ als wichtigen Faktor, denn genau so, mit dem Auto, haben wir Reisen innerhalb Deutschlands und ins benachbarte Ausland gelernt. Hier muss sich die Gewohnheit ändern – aber das ist nur durch motivierende Alternativen zu erreichen.
Als Urlaubsinsel haben wir eine besondere Situation: Wenn hier in der Hauptsaison rund 150.000 Menschen unterwegs sind, reicht die Verkehrsinfrastruktur nicht aus. In der Wintersaison wird sie hingegen kaum genutzt.
Stephan Rammler: Das ist eine Frage des Managements. Sylt hat eine sehr hohe Saisonalität. Es ist wichtig, das Angebot der Nachfrage bestmöglich anzupassen – auch, wenn die Nachfrage nur vorübergehend ist. Warum sollte es im Sommer nicht zum Beispiel flexible, zeitlich begrenzte Formen des Autoverleihs geben?
Moritz Luft: Zudem braucht es eine absolute Transparenz. Wer online schnell und einfach kontrollieren kann, ob es ein hohes Verkehrsaufkommen gibt, lässt sein Auto bei einem angezeigten Stau eher stehen und steigt aufs Rad oder nimmt den Bus. Die technischen Möglichkeiten sind heute so weit fortgeschritten, dass so ein Onlineangebot für die Insel absolut denkbar wäre.
In großen Städten nimmt Carsharing zu. Sind Leihsysteme ein Weg für Sylt, damit weniger Urlauber mit dem eigenen Auto kommen?
Moritz Luft: Wir haben auf Sylt eine andere Situation als in Hamburg, Berlin oder München, wo Carsharing-Systeme gut funktionieren und sowohl von Einwohnern als auch von Reisenden genutzt werden. Das ist auf die Insel so nicht übertragbar. Dennoch kann auf Sylt Carsharing durchaus Sinn machen, wenn es zum Beispiel an ein Wohngebiet angegliedert wird und den Einwohnern dort zur Verfügung steht, wie es beim Dünenpark in List angedacht ist. Oder Sylter Unternehmen könnten gemeinsame Autos für ihre Auszubildenden und Mitarbeiter anbieten.
Stephan Rammler: Wenn ich will, dass die Menschen ohne eigenes Auto auf die Insel kommen, brauche ich andere funktionale Angebote: zum Beispiel eine Flotte von Elektroautos, die einfach und für nicht allzu viel Geld ausgeliehen werden können. Es gibt auch noch die Möglichkeit, die einzelne Fahrt zu teilen – Ridesharing genannt, beispielsweise auf Grundlage bestehender Großraumtaxen. Oder permanent kreisende Elektrokleinbusse, die durch die Ortszentren fahren und sie bequem erschließen. Wenn Sie so ein Netz zumindest über die Sommerzeit etablieren, kann das wunderbar funktionieren. Außerdem müssen Preissignale gesendet werden, die es unattraktiv machen, auf der Insel mit dem eigenen Auto zu fahren – zum Beispiel ein Maut-System: Damit spreche ich kein Verbot aus und ich generiere damit Einnahmen, um die Alternativen sachgerecht und großzügig auszubauen.
Diese Angebote gibt es bisher nur in Ansätzen. Heißt das, es bleibt voll auf den Straßen?
Moritz Luft: Bis es kein sinnvolles inselweites Mobilitätskonzept gibt, wird es wohl so bleiben. Allerdings wird sich die Zahl der Fahrzeuge über lange Sicht etwas nach unten regulieren. Denn bekannt ist, dass die Neuzulassungen in vielen unserer Quellgebiete, insbesondere der Städte, immer weiter sinkt. Die kommende Generation verzichtet vermehrt auf ein eigenes Auto, sondern nutzt es bedarfsorientiert über ein Carsharing-System. Über diesen Konsumwandel wird sich auch der Nachfragedruck von PKW-Anreisen auf die Insel etwas abschwächen. Da diese Generation aber auch eine hohe Erwartungshaltung an Mobilität hat, ist es für die Insel jetzt umso wichtiger, die Mobilitätsvernetzung als dringliche Aufgabe anzuerkennen.