© Alexander Heil

Liebeserklärung in Bildern

Im Interview mit Fotograf und Sylt-Liebhaber Alexander Heil

Inselliebe findet auf den unterschiedlichsten Wegen ihren Ausdruck: Zumeist im stillen Genuss, manchmal aber auch mit hingebungsvollen Posts auf Social Media, mit Sylt-Songs und Gedichten und notfalls noch immer mit dem Klassiker: der Insel-Silhouette auf dem Autoheck. 

Dauergast Alexander Heil hat seiner tiefen Verbindung zum Sandknust ein sehr ästhetisches Monument gesetzt. Eines, das die Seele berührt: Seit Jahren fotografiert der Familienvater unauffällig, als wäre es ein Bilder-Tagebuch seiner Ferien, die Menschen rund um die „Buhne 16“. Diese Fotos vor Traumkulisse spiegeln tiefe Verbindung in ausgesucht schöner Handschrift. Jetzt hat er eine Auswahl in einem XXL Coffee-Table-Book veröffentlicht. Eine Liebeserklärung, die schwer wiegt und weitgehend ohne Worte auskommt. Darum haben wir von „Natürlich Sylt“ nochmal nachgefragt, wie seine Inselbindung entstand.

Portrait von Alexander Heil
  • Mittendrin statt nur dabei. Alexander Heil (rechts im Bild) auf dem Sonnendeck seiner Lieblingsinsel. Verbindende Buhne-Momente wie aus dem Bilderbuch, pardon, Coffee-Table-Book.

Du sagst selbst, Du seist ein „Landei“. Du bist im „Oldenburger Münsterland“, mitten in Niedersachsen, nach „allen Regeln der glücklichen Kindheit“ groß geworden. Dort lebst Du heute noch - mit Deiner Frau und Deinen beiden Kindern. Mit der Familienkutsche bist Du früher mit Deinen Eltern über Nacht an die Adria gefahren. Sylt war lange nicht auf Deinem Radar. Wie kam’s zur ersten Insel-Begegnung?

Alexander Heil: Die ereignete sich erst, als ich schon erwachsen war - es war eine Zufallsbegegnung, soweit es Zufälle gibt. Als Grafiker habe ich damals viel für die Musikbranche gearbeitet. 1998 war das, glaube ich, als ich für eine CD-Produktion für den NDR mal kurz nach Sylt fahren sollte, um Fotos für das Cover zu schießen. Die Fotografie war damals noch eher Nebenschauplatz. Ich war dann zwei, drei Nächte in Westerland und bin rumgefahren. Ich fand Sylt, ehrlich gesagt, eher so mittel und Westerland richtig scheußlich und habe mich immer gefragt, was das mit dem Sylt-Hype eigentlich so auf sich hat.

Sylt war also offenbar für Dich keine Liebe auf den ersten Blick. Ganz anders als das Klischee behauptet. Wie kam’s zum Sinneswandel? 

Alexander Heil: Mit meiner Freundin, heute meine Frau, war ich ungefähr zwei Jahre später auf einer dieser großen „Bacardi“-Partys am Strand. Damals sind wir für gute Partys häufiger mal gereist. Ich glaube, es war in Rantum: herrliches Wetter, magische Stimmung, dieses unfassbare Licht und barfuss im Sand tanzen. Da hatte es mich erwischt. Wir sind dann auf Empfehlung auch mal zu „Buhne 16“ gefahren. Da habe ich diesen Spirit gespürt, der so gar nicht nach Effekten hascht, ohne Spektakel auskommt, friesisch-herb, aber voller Seele ist.

"Ich fand Sylt, ehrlich gesagt, eher so mittel und Westerland richtig scheußlich und habe mich immer gefragt, was das mit dem Sylt-Hype eigentlich so auf sich hat."

Du bist da auf dieses Phänomen gestoßen, das die Insel wahrscheinlich im Innersten ausmacht. Du hast diese unaufgeregte Gastlichkeit vor spektakulärer Umgebung genossen. Etwas, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Wie ging es dann für deine Frau und Dich weiter?

Alexander Heil: Wir sind immer wieder gekommen. Mal nur für ein langes Wochenende, manchmal auch wochenlang geblieben. Zu allen Jahreszeiten. Wir haben Freunde gefunden. Es ist, glaube ich, auch das Ritual, die Wiederholung, die Wiederkehr, die den Zauber ausmacht. Jetzt mit unseren schulpflichtigen Kindern hat sich das wieder etwas verändert. Wir müssen uns an die Schulferien halten. Im letzten Sommer hatten wir drei Wochen Schietwedder, da muss man Sylt dann schon sehr lieben, um nicht zu verzweifeln.

Das stimmt, aber große Liebe ist halt auch nicht immer nur eitel Sonnenschein… Und wie kam es zu Deinen Fotos und Deinen „Buhne“-Momenten?

Alexander Heil: Früher konnte ich am Strand stundenlang faul rumliegen. Aber sowas ändert sich dann im Laufe eines Lebens ja zum Glück. Vor Jahren habe ich aus Langeweile angefangen, das, was für mich das Leben an der „Buhne 16“ so besonders macht, dieses Beheimatungsgefühl, die Rituale, der Umgang zwischen den Generationen, mal einzufangen. 

  • Kurze Erklärung zwischendurch: Die „Buhne“-Chefs, Tim und Sven Behrens sind Cousins. Sie sind Urfriesen. Sie haben die „Buhne 16“ vor 24 Jahren von ihren Onkels bzw. Vätern übernommen, die diese Mutter aller Beachclubs am Kampener Strand, 1981 gründeten. 

Wie hast Du es geschafft, dass Du bei den kantigen Gesellen so weit vorgedrungen bist. Das sind ja schon andere gescheitert beim Versuch, ihre Herzen zu gewinnen?

Alexander Heil: Ja, sie meiden jede Art von Öffentlichkeit und haben eine akute Allergie gegen Kameralinsen. Ich glaube, ich habe mir das Vertrauen einfach über die Jahre erarbeitet. Sie mochten meine Bildsprache und haben gemerkt, dass ich den Spirit verstanden habe.  

Stimmt, wenn man bei Friesen einmal durch die Lederhaut durchgedrungen ist, gibt es eine zumeist lebenslange und unerschütterliche Verbindung. Da muss man schon richtig Mist bauen, dass sie einen verstoßen. Da sind die Ur-Sylter wie die Insel selbst. Derbe, aber treu. Durftest Du auch schonmal mit der „Gründerriege“, den Jungs wie die „jungen Leude“ sie nennen, mit auf Makrelen-Törn? Das käme in der Welt da draußen wohl dem ultimativen Ritterschlag gleich.

Alexander Heil: Im Makrelen-Metier durfte ich schon ganz schön nah ran - beim Ausnehmen der Fische zum Beispiel. Aber im Ernst: Mich beeindruckt, wie an der „Buhne“ miteinander umgegangen wird. Die ältere Generation ist ein wichtiger Teil des Ganzen, hilft im Betrieb mit, hat aber auch einen eigenen Space, einen privaten Bereich mit Terrasse. Ein Teil der „Jungs“ kommt auch im Winter täglich für eine Partie „Mau-Mau“ durch die Dünen an den Strand. Bestimmt ein herrlicher Moment der Geselligkeit am einsamen Strand, Karten zu spielen. Ich glaube, Sylt brennt sich halt nicht nur durch diese Wahnsinns-Natur in die Herzen, sondern auch durch seine unverbiegbaren Menschen und durch deren Rituale.

Und genau das zu zeigen, dieses Miteinander von Einheimischen und Menschen, die immer wieder kommen, zum Arbeiten oder zum Genießen, das gelingt mit Deinem XL-Fotobuch. Du zeigst, wie echte Verbindung zwischen Menschen an einem wunderbaren Ort geht.

Alexander Heil: Es würde mich freuen, wenn das zum Ausdruck kommt. Ich liebe ja wertige Printprodukte. Ich hatte Lust, eine Auswahl der Fotos der letzten Sommer in dieser schönen Form zusammenzutragen.

Wo gibt es Dein Buch?

Alexander Heil: In ausgewählten Buchhandlungen auf Sylt. Aber auch im Online-Shop der „Buhne 16“ und in der „Buhtique“ - dem Laden mit schönen Dingen direkt am Strand.

Dieses Buch ist natürlich eher ein persönliches Lieblingsprojekt als eine Brötchen-Erwerbsquelle. Womit verdienst Du Dein Geld?

Alexander Heil: Tatsächlich inzwischen vor allem mit der Fotografie. Ich arbeite hauptsächlich für die Musikbranche und den Profisport.

WOW! Du bist mit Deiner Arbeit ja weitgehend ortsunabhängig. So sehr, wie Du und Deine Familie Sylt liebt: Denkt Ihr manchmal darüber nach, auf die Insel zu ziehen? Ihr habt viele Freunde, seid verwurzelt….
Alexander Heil: Das ist in der Tat immer wieder Thema bei uns. Aber es wäre natürlich auch ein Riesenschritt - mit der Schule und den Kindern. Vielleicht ist es manchmal auch richtig, wenn bestimmte Träume unerfüllt bleiben und man ein wenig mit der Sehnsucht lebt…

Wenn Menschen das Strandleben rund um die „Buhne 16“ im Sommer zu quirlig ist. Was ist Dein Tipp?
Alexander Heil: Nur ein paar hundert Meter weiter nördlich und man ist auch im Sommer so gut wie alleine am Strand. Oder man geht etwas südlich an den Mittelstrand: Da ist ein wundervoller FKK-Strand mit sehr schönem Ambiente und einem Kiosk, den auch die Jungs von der „Buhne“ machen. Oder man findet auf 40 Kilometern Länge irgendwo anders seinen Lieblingsspot…

  • Interview: Imke Wein

An allem Schuld

Kolumne von Imke Wein

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Beim Interview mit Alexander Heil fiel mir wie Schuppen aus den Haaren, dass einer der Gründerväter der „Buhne 16“ auch in meinem Fall eine „Teilschuld“ trägt, dass ich in meinem 56 Jahren Leben bislang noch keinen Sommer nicht auf Sylt verbracht habe. 

Und das kam so: Ganz am Anfang hatte ich keine Wahl. Meine Eltern waren schon mit ihren Familien unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit Kohlköpfen im Koffer - als Verpflegung und Tauschobjekt - nach Kampen in die Ferien gefahren und wollten später auch mit ihren vier Kindern an Bord nirgendwo anders hin. Rantum Süd, Haus „Steinum“ direkt am Watt. Vier Wochen Sommerfrische. Jedes Jahr. Morgens: Türen auf, Kinder raus an den Strand, abends wieder rein mit der „Bagage“. Ein Traum. Speziell mir, dem jüngsten der vier Kinder, grub sich das Leben im Rhythmus der Inselnatur so ins Herz, dass ich im Winter manchmal vor Inselweh nicht schlafen konnte. Eines Sommers, ich war sieben und alleine morgens im Nachthemd am Watt unterwegs, habe ich entschieden:

„Wenn ich groß bin, lebe ich auf Sylt.“ 

Imke Wein als Kind am Strand

Das wäre vielleicht ein Kindertraum geblieben, wäre da nicht Faktor Mensch noch mit ins Spiel gekommen: Am Rantumer Strand war damals, Ende der 70er Jahre, Konrad Behrens Rettungsschwimmer. Kurz bevor er mit seinen Brüdern die „Buhne 16“ gründen sollte. Für mich als kleines Mädchen gab es nichts Großartigeres, als wenn dieser kantige, bärbeißige, wortkarge Typ mit dem einen abgesägten Finger, meine Nähe tolerierte und mir erlaubte neben ihm auf der Schwimmerkarre Platz zu nehmen. Weitgehend schweigend. Das Beste war, ihm dabei zu zusehen, wie er mit drei Bissen ein „Dolomiti“-Eis verschlang, ohne eine Regung. In meiner ordentlichen, bildungsbürgerlichen Welt verkörperte dieser Mann und sein Lebensentwurf, am schönsten Strand der Welt Rettungsschwimmer zu sein, die ultimative Freiheit. Er war der Held meiner Kindheit, ohne sich dafür im Geringsten anzustrengen.

Imke Wein als kleines Kind am Strand.

Nach dem Abi wurden meine Zwillingsbrüder Rettungsschwimmer, ich Strandgymnastin in Rantum. Bei den beiden blieb es beim Semesterferien-Job, ich schlug Wurzeln. Plötzlich war ich umgeben von lauter Menschen wie Konrad Behrens. Sylter und solche, die den Local-Lifestyle adaptierten. Menschen, die auf Konventionen pfiffen, im Winter um die Welt reisten, frei im Geist, nordisch-kühl auf den ersten Blick, weit im Horizont und mit großer Herzensbildung. Aus den Strandgymnastik-Sommern haben sich Freundschaften entwickelt, die bis heute auch durch alle Untiefen tragen. Und obwohl mein Leben sich als bunte Achterbahnfahrt entpuppen sollte, in der nicht immer Sylt der Mittelpunkt war, habe ich das gemacht, was ich mir als kleines Mädchen am Watt vorgenommen hatte: Sylt wurde mein Zuhause. Wegen der Freiheit, ich selbst sein zu dürfen. Wegen der Schönheit. Wegen der Menschen. Trotz und auch gerade wegen aller Macken.

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